Franz Schubert - Kosegarten cycle


10. Das Sehen, D.231

Ida:

Wehmut, die mich hüllt,
Welche Gottheit stilt
Mein unendlich Sehnen !
Die ihr meine Wimper nässt,
Namenlosen Gram entpresst,
Fliesset, fliesset Tränen !

Mond, der lieb und traut
In meiner Fenster schaut,
Sage, was mir fehle !
Sterne, die ihr droben blinkt,
Holden Gruss mir freundlich winkt,
Nennt mir, was mich quäle !

Leise Schauer wehn,
Süsses Liebeflehn
Girrt um mich im Düstern.
Rosen- und Violenduft
Würzen rings die Zauberluft.
Holde Stimmen flüstern.

In die Ferne strebt,
Wie auf Flügeln schwebt
Mein erhöhtes Wesen.
Fremder Zug, geheime Kraft,
Namenlose Leidenschaft,
Lass, ach lass genesen !

Ängstender beklemmt
Mich die Wehmuth, hemmt
Athem mir und Rede.
Einsam schmachten, o der Pein !
O des Grams, allein zu sein
In des Lebens Öde.

Ist denn, ach, kein Arm,
Der in Freud' und Harm
Liebend mich umschlösse ?
Ist den, ach, kein fühlend Herz,
Keines, drin in Lust und Schmerz
Meines sich ergösse ?

Die ihr einsam klagt,
Einsam, wenn es tagt,
Einsam, wenn es nachtet
Ungeströstet, ach verächzt
Ihr das holde Dasein, lechzt,
Schmachtet und verschmachtet.


Updated: 17 December 1999 Kosegarten